Die Jubiläumsausgabe, die von Sibylle Omlin und Christiane Krejs kuratiert wurde, nimmt die Frage um die Körper-Performance auf, die bereits in den 70er Jahren gestellt wurde, richtet diese aber an eine jüngere Generation von Performern, die ein anderes Verständnis von Körperlichkeit zelebrieren sowie mit anderen aktuellen Themen wie Migration, Konsum oder Globalisierung konfrontiert sind. Dies die Ausgangslage. Ich möchte die Performance von Anne Rochat «Obsidian» reflektieren, da sie an eine Arbeit von Marina Abramović erinnert. Die „Grande Dame“ der Performance Kunst legte sich vor Jahren auch einmal auf Eis.
Eis so klar, durchschimmernd, vergänglich und verführerisch. Die erste Berührung ist interessant und verlangt nach mehr, aber nach geraumer Zeit distanziert man sich automatisch. Anne Rochat überwindet diesen Punkt und bleibt nackt am Eisblock kleben, umarmt und küsst ihn sanft. Nach 30 Minuten steigt die Kälte in mir auf, ich werde eins mit der Performerin, meine Schultern sind steif, ich halte es kaum mehr aus. Rochat macht unbeirrt weiter, als wolle sie den Eisblock zum Schmelzen bringen. Meine Stuhlnachbarin wird ungeduldig und wippt von Seite zu Seite. Andere Betrachter halten es nicht aus, gehen und kommen wieder. Rochat klebt immer noch am Eis. Nach fast einer Stunde innigster Umarmung löst sie sich von der eisigen Kälte. Das Publikum ist erlöst – und Rochat, wie fühlt sie sich in diesem Moment? Eine Körper-Performance hart an der Grenze und mit Lust an der Dauer.
Das Programm der diesjährigen Bone-Ausgabe ist so mannigfaltig und schrill, dass man sich gerne fragen darf: Was ist eigentlich Performance? Historisch betrachtet ist die Performance Kunst aus der bildenden Kunst entstanden als Gegenreaktion auf die etablierte Kunst und deren Vermarktung. Heute ist die Performance weitaus diverser, Kunstschaffende aus Tanz, Theater, Musik, Literatur, der bildenden und visuellen Kunst bezeichnen sich als Performer. Demnach eine Kunstform, die ein breites Publikum anspricht? Nicht unbedingt, Performance Kunst ist gerne auch archaisch, zerstörend, politisch, gesellschaftskritisch und unheimlich direkt. Ja vielleicht, diese ehrliche Beziehung zum Publikum und direkte Ansprache dieser Kunstform sind Gründe, weshalb nicht jedes Publikum Teil einer Performance sein möchte.
Die Schweiz ist ein gutes Pflaster für Performance Kunst. Dies liegt daran, dass Künstler und Dozenten wie Nobert Klassen, Mitbegründer des Bone Performance Festival, oder Gerhard Lischka Performance Kunst sehr früh an Deutschschweizer Akademien und Schulen unterrichtet haben und so Generationen von Performance Künstler begleitet und inspiriert haben. Wichtig für die Schweizer Performance Kunst war auch die neue Schule F + F in Zürich und die Festivals, die Performances programmiert haben.